Sehr geehrter Herr X,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, auf die wir gerne eingehen. Wir freuen uns, dass Sie unser Nachrichtenangebot nutzen. Danke für das Vertrauen in unsere Arbeit.

In der Tat haben wir uns intensiv mit der Thematik Geschlechtergerechtigkeit beschäftigt und innerhalb der Redaktion sowie unter den Chefredakteurinnen und Chefredakteuren der ARD umfangreiche Diskussionen dazu geführt.

Die Redaktion ist sich der prägenden Wirkung von Sprache bewusst. In der ARD wurde über die Darstellung von Diversität in der Sprache diskutiert und folgender Weg gefunden: Wenn möglich, sollen Formulierungen verwendet werden, die alle einschließen oder geeignete Umschreibungen. Beispielsweise „gewonnen hat…“ statt „Gewinner“. In Texten von tagesschau- und tagesthemen-Sendungen oder auf tagesschau.de wird – wenn möglich – immer die weibliche und männliche Formulierung genannt oder eben eine neutrale Version, die im allgemeinen Sprachgebrauch bekannt ist. Das gilt auch für Schriften in Grafiken und bei Piktogrammen. Dort versuchen wir auch männliche und weibliche Formen zu berücksichtigen. Es gibt allerdings Situationen, in denen das nicht möglich ist, wie in kurzen Überschriften mit begrenztem Platz in der App oder auf der Studiowand. Die Social-Media-Redaktion der tagesschau hat sich vor einiger Zeit und in Einklang mit den Bedürfnissen ihrer Community dazu entschlossen in Videos, Bildern mit Textanteil und in Text-Postings zusätzlich zu neutralen oder einschließenden Umschreibungen den Doppelpunkt zu verwenden. Unser Ziel ist es – unabhängig von dem Bemühen um Gender-Gerechtigkeit – immer ein Gefühl für Sprache zu behalten und für den jeweiligen Ausspielweg sinnvoll mit Sprache umzugehen. Daher werden wir unsere Entscheidungen zu gender-gerechter Sprache regelmäßig kritisch überprüfen und ggf. anpassen.

Wir versichern Ihnen, ARD-aktuell beschäftigt sich regelmäßig mit der Sprache – seit vielen Jahren und auch zukünftig. Denn genauso wie unsere Gesellschaft entwickelt sich auch unsere Sprache immer weiter.

Wir hoffen, Ihnen mit diesen Ausführungen geholfen zu haben und würden uns freuen, wenn Sie unsere Nachrichtenformate weiter kritisch begleiten.

Mit freundlichen Grüßen
Publikumsservice ARD-aktuell

Kommentar

Die von den Rundfunkanstalten versendeten standardisierten Schreiben nutzen stets die gleichen Argumente.

Die Redaktion ist sich der prägenden Wirkung von Sprache bewusst.

Hier wird fälschlicherweise vorausgesetzt, dass grammatische Strukturen einen unmittelbaren Einfluss auf das Denken – hier Geschlechterbilder – haben.

Wenn möglich, sollen Formulierungen verwendet werden, die alle einschließen oder geeignete Umschreibungen.

Man verschließt sich der Tatsache, dass das generische Maskulinum bereits “alle einschließt”.

In Texten (…) wird – wenn möglich – immer die weibliche und männliche Formulierung genannt.

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist diese Formulierung nicht korrekt. Sie ignoriert die grundsätzliche Differenz zwischen Genus und Sexus. Das Maskulinum kann nicht als “männliche Formulierung” bezeichnet werden.

Denn genauso wie unsere Gesellschaft entwickelt sich auch unsere Sprache immer weiter.

Formulierungen dieser Art finden sich stets in Standardschreiben der Sender. Sie berufen sich auf einen angeblichen Sprachwandel. Ehrlicherweise müsste hier aber von “Sprachpolitik” oder “Sprachlenkung” die Rede sein. Ein natürlicher Sprachwandel liegt beim Gendern nicht vor.